Montag, 20. August 2012

Urteil vom 23.06.2008 Internationaler Gerichtshof für Tierrrechte


Urteil in der Sache der Stierkämpfe in Spanien, Frankreich und Portugal

In der Präambel stellt der Gerichtshof fest:

  1. Indem die Tiere in den Stierkampfarenen allein zum Zweck des Vergnügens des Publikums gequält, getötet und erniedrigt werden, huldigt man den verachtenswertesten Instinkten des Menschen. Es handelt sich dabei um eine kulturelle Schande, ein Relikt aus einer primitiven und barbarischen Vergangenheit, die die ethischen Grundlagen einer modernen europäischen Gesellschaft verletzt.
  2. Die Unterweisung von Kindern und Jugendlichen im Stierkampf stellt eine Verletzung des Schutzes Minderjähriger dar. Wer dies gestattet, ist mitverantwortlich für die Demoralisierung der Jugendlichen, für den Anstieg von deren Gefühllosigkeit gegenüber Gewalt sowie für den Anstieg des aggressiven Verhaltens unter Erwachsenen.
  3. Die Ermutigung und das Organisieren von Stierkämpfen verstossen überdies gegen zahlreiche, bereits im nationalen Massstab bestehende gesetzliche Vorschriften. Diese verbieten jene Grausamkeiten, die heute in diesem Ausmass und an den genannten Orten praktiziert werden. Das Strafgesetzbuch wird immer noch derart „grosszügig" zugunsten der Stierkämpfe interpretiert, dass es an eine Umgehung des Gesetzes grenzt.
Urteil in der Sache der Stierkämpfe gegen die führenden Politiker Frankreichs
Gestützt auf die mündlichen Anhörungen des heutigen Tages und auf die Prüfung der Beweise, kommt der Gerichtshof zu der Entscheidung, dass der Präsident und der Premierminister der Republik Frankreich, die Herren Nicolas Sarkozy und François Fillon, schuldig sind,
- zu Akten der Grausamkeit gegenüber Tieren Beihilfe zu leisten; - ihrer Aufgabe, für den Schutz der Jugend zu sorgen, nicht nachzukommen - indem sie die Stierkampfpropaganda in den französischen Schulen unterstützen, - indem sie tolerieren, dass kleine Kinder zu Stierkampfveranstaltungen zugelassen werden, - indem sie Stierkampfschulen für Kinder und Jugendliche zulassen und subventionieren, in denen man diesen beibringt, jegliches Mitgefühl und Erbarmen auszuschalten; - die Abschaffung des Stierkampfes in Frankreich zu verhindern; - die Maskerade in den Arenen in Frankreich zu unterstützen und so jedes Jahr den Tod durch Quälerei von Hunderten von Stieren zu provozieren; - nationale und europäische öffentliche Gelder zu verwenden, um die Interessen des Stierkampfsystems zu begünstigen, ohne den Willen von 3/4 der französischen Bevölkerung zu beachten, die die Abschaffung des Stierkampfes in ihren Ländern fordern; - durch ihre Teilnahme an Veranstaltungen zur Quälerei von Tieren, die römischer Spiele würdig sind, jedoch von der modernen zivilisierten Gesellschaft verabscheut werden, zur Erniedrigung der französischen Nation beizutragen.

Urteil in der Sache der Stierkämpfe gegen den Präsidenten der spanischen Regierung

und gegen die vier Berufsverbände des spanischen Stierkampfs
Gestützt auf die mündlichen Anhörungen des heutigen Tages, auf die Prüfung der Beweise und angesichts der Ungeheuerlichkeit der den Tieren in Spanien, insbesondere den Kampfstieren, zugefügten Qualen, kommt der Gerichtshof zu der Entscheidung, dass Herr José-Luis Rodriguez Zapatero, Präsident der spanischen Regierung, schuldig ist,
  • zu Akten der Grausamkeit gegenüber Tieren Beihilfe zu leisten; - das Quälen und Töten von ungefährlichen Kreaturen, die Sensibilität und Bewusstsein besitzen, als Volksvergnügen zu akzeptieren bzw. loben;
  • blutige und erniedrigende Stierkampfveranstaltungen mit Subventionen zu unterstützen, und zwar auf Kosten der Bedürfnisse eines benachteiligten Teils seiner Mitbürger. Der Gerichtshof kommt zu der Entscheidung, dass Herr Zapatero und die mitangeklagten vier Berufsverbände des spanischen Stierkampfes schuldig sind,
  • die demütigende Praxis des Stierkampfes in andere Länder, vor allem nach Frankreich, exportiert zu haben;
  • Stierkampfschulen eingerichtet und gefördert zu haben, in denen man Kindern und Jugendlichen beibringt, dass es heldenhaft ist, zu überlisten, zu belästigen, zu quälen und zu töten;
  • alles tun, um eine barbarische Tradition, die die zivilisierte Gesellschaft entehrt, in den Rang des europäischen Kulturerbes zu erheben;
  • die EU auf ihrem Weg zu einer Ethik zu bremsen, die die Tierwelt einschliesst und die Rechte der Tiere anerkennt, sowie zur Erniedrigung der spanischen Nation beizutragen, indem sie sie ermutigen, an Quälereien Gefallen zu finden, die römischer Spiele würdig sind.
Urteil in der Sache der Stierkämpfe

gegen den ehemaligen Präsidenten und
den ehemaligen Premierminister der Portugiesischen Republik
Gestützt auf die mündlichen Anhörungen des heutigen Tages und auf die Prüfung der Beweise,
kommt der Gerichtshof zu der Entscheidung, dass
Herr Jorge Sampaio, ehemaliger Präsident der Portugiesischen Republik,
und Herr José Manuel Barroso, ehemaliger Premierminister Portugals und gegenwärtiger Präsident der Europäischen Kommission, schuldig sind,
  • eine offenkundige Befriedigung aus dem Quälen von Stieren und anderen Rindern sowie der in den Arenen verwendeten Pferde zu ziehen;
  • Stierkampfspiele trotz der Verurteilung dieser schändlichen Veranstaltungen durch die grosse Mehrheit der Bürger Portugals und ganz Europas zu unterstützen und zu fördern;
  • die Gesetzgebung von 1928 teilweise abgeschafft zu haben, die die Stiere vor der Tötung in den portugiesischen Arenen schützte, sowie ihr Land dadurch im Hinblick auf den Tierschutz um 80 Jahre zurückgeworfen zu haben;
  • die sozialen und gesetzlichen Fortschritte hinsichtlich des Tierschutzes wissentlich zu verzögern und somit aus Portugal ein auf humanitärer Ebene weniger zivilisiertes und rückschrittlicheres Land zu machen;
  • auf gesetzlichem Wege die Auffassung zu verstärken, dass das Quälen von Tieren zum täglichen Leben gehört, eine Form von Kunst und Unterhaltung ist und als normal und achtenswert akzeptiert werden muss;
  • zur Erniedrigung der portugiesischen Nation beizutragen, indem sie ermutigt wird, an barbarischen Veranstaltungen Gefallen zu finden, die römischer Spiele würdig sind, von der modernen zivilisierten Gesellschaft jedoch verabscheut werden.
Urteil in der Sache der Stierkämpfe 

Forderungen des Gerichtshofes
Der Gerichtshof fordert von den Gesetzgebern der beschuldigten Länder, der Meinung der grossen Mehrheit ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger Rechnung zu tragen, die den Stierkampf als eine barbarische, einer zivilisierten Nation unwürdige Praxis betrachten. Er fordert von ihnen, in kürzester Frist alle jene Stierkampfspiele abzuschaffen, die Belästigung, Quälerei und Tötung beinhalten.

Bis zur Umsetzung dieser Abschaffung fordert der Gerichtshof
  • sofort alle direkten oder indirekten finanziellen Zuschüsse oder Subventionen für die Stierkämpfe abzuschaffen;
  • darauf zu achten, dass im Protokoll Nr. 33 des Vertrags von Amsterdam, nach dem die Europäische Gemeinschaft den Erfordernissen des Wohls der Tiere Rechnung tragen muss, die einschränkende Ausnahme abgeschafft wird, nach der dieses Verbot nicht für jene Mitgliedsstaaten gilt, die sich auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und regionales Kulturerbe stützen;
  • sofort alle Stierkampfschulen für Kinder und Jugendliche aus Gründen des Schutzes Minderjähriger zu schliessen;
  • den Zugang zu den Arenen für Jugendliche unter 16 Jahren, jegliches Lobbying, jegliche Proselytenmacherei und jegliche Propaganda für den Stierkampf bei Kindern und Jugendlichen zu verbieten;
  • von der Europäischen Gemeinschaft, alle direkten oder indirekten Subventionen für den Stierkampf zu streichen sowie den Schutz der Tiere unmissverständlich und kompromisslos in der zukünftigen Europäischen Verfassung zu verankern;
  • vom Papst Benedikt XVI, die die Stierkampfspiele unwiderruflich verurteilende Bulle DE SALUTE GREGI DOMINICI des Papstes Pius V, die immer noch gültig ist, zu erneuern und klare Richtlinien zu erlassen, nach denen die blutigen und abscheulichen Veranstaltungen, die Stierkämpfe darstellen, verurteilt werden müssen.
  • Er verlangt vom Europäischen Parlament, dringend ein Referendum zu organisieren, damit sich die überwältigende Anti-Corrida-Mehrheit äussern kann.

Genf, 23. Juni 2008

INTERNATIONALER GERICHTSHOF FÜR TIERRECHTE

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